Der Forecast im Vertrieb und Verkauf - die Hoffnung stirbt zuletzt

11-Nov-2014
Chris Sudergat
Chris Sudergat

Vertriebstraining, Verkaufstraining, Forecastmanagement

Aus den täglichen Finanznachrichten wissen wir: Wenn ein Unternehmen seine selbst erstellte Prognose hinsichtlich der eigenen Geschäftsentwicklung korrigieren muss, wird es an der Börse abgestraft. Der Kurs der Aktie und somit der Wert des Unternehmens als Ganzes sinkt. Ist ja auch logisch, denn wenn Umsatz und Gewinn schrumpfen, bleibt für die Anteilseigner weniger Dividende übrig.

Allein schon dieser Zusammenhang macht klar, warum realistische Forecasts notwendig sind. Und das gilt keineswegs allein für börsennotierte Firmen. Für alle Unternehmen sind sie wichtig, weil sie die Ergebnisse planbar machen. Wenn Ihnen Ihr Vertrieb  und Verkauf beispielsweise zu viele potenzielle Auftragseingänge impliziert und sie entsprechend viele Waren produzieren und/oder einkaufen, die dann aber nur zur Hälfte abgesetzt werden, können Sie sehr schnell vor gravierenden finanziellen Problemen stehen. Dies gilt es in jedem Falle zu vermeiden!

Kennen Sie das? Am Anfang des Quartals sichert Ihnen Ihr Vertrieb und Verkauf Zielerreichung zu. „Klar schaffen wir das.“ Gegen Mitte des zweiten Monats kommen dann die ersten Zweifel. „Das könnte jetzt doch eng werden.“ Und pünktlich drei Wochen vor Ende des Quartals beginnen die Abmeldungen. Da verschiebt sich eine sicher geglaubte Verkaufschance, ein anderer überzeugter Kunde bestellt plötzlich beim Mitbewerber und die Rabatte schießen in die Höhe, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Woran liegt das? Ganz einfach gesagt: weil die Prognose, wie viele Aufträge tatsächlich reinkommen ganz offensichtlich nicht realistisch war.

Betrachten wir die Ursachen genauer, dürften die Meisten zu folgendem Schluss kommen:

Wenn die Prognose nicht richtig ist, hapert es an mindestens einem von drei Komponenten. Beispielsweise wissen die wenigsten, was Forecast wirklich ist. Andere können ihre Deals nicht rational einschätzen und bei vielen ist die Einstellung, salopp formuliert, unter aller Kanone. Oder etwas vornehmer: jenseits von Gut und Böse. Vor allem deshalb, weil selten negative Konsequenzen zu befürchten sind.

Hinzu kommt, dass viele Vertriebler und Verkäufer es einfach so hinnehmen, wenn sie am Anfang eines Geschäftsjahres die Maxime mitgeteilt bekommen, dass sie 20 Prozent mehr Umsatz holen sollen als in der vergangenen Periode. Wenn man sie fragt, wie sie das schaffen wollen, ist meist zu hören: „Das kriege ich schon irgendwie hin“ oder „Darauf habe ich eh´ keinen Einfluss“. Einige von Ihnen dürften sich in diesem Szenario wiederfinden, oder? Und so wird aus der Idee einer von beiden getragenen Zielvereinbarung schnell eine einseitig ausgesprochene Zielvorgabe – an die Mitarbeiter meist nicht glauben!

Eines können wir festhalten: Hoffnung ist keine Strategie! Genauso gut können Sie einen Blick in die Glaskugel werfen. Vermutlich mit ähnlichen Resultaten.

Es geht konkret darum, realistische Forecasts zu treffen. Doch wie?

Viele Unternehmen verlassen sich ganz auf eine gängige Methode und rechnen allein mit mathematischen Wahrscheinlichkeiten, wenngleich sich dieses eigentlich in der Praxis nicht bewährt hat. Beispielsweise hat Ihr Unternehmen über einen längeren Zeitraum beobachtet, dass sechs von zehn Angeboten zum Erfolg führen. Und schon liegt der Forecast für die Summe aller offenen Angebote bei 60%. Wenn also ein Vertriebler genau ein Angebot in Höhe von 500.000 Euro offen hat, dann ist sein Forecast 300.000 Euro!? Ich frage Sie nun: Wie häufig wird ein Projekt in Ihrem Unternehmen mit 60 Prozent des Auftragswertes abgeschlossen? Ich vermute doch stark, so gut wie nie. Denn entweder kommt das Projekt zu 100 Prozent – und dann ist der Forecast des besagten Vertrieblers 500.000 Euro – oder es kommt eben gar nicht. Dann macht das mathematische Modell doch eigentlich keinen Sinn, weil es kein realistisches Bild entwirft, werden Sie nun zurecht fragen.

Die Antwort ist wie so oft: Es kommt darauf an. Eine mathematische Betrachtung des Forecasts benötigt einen größeren Zeitraum und eine kritische Masse an Projekten. Je kürzer die betrachtete Periode und je kleiner die Anzahl der Deals ist, desto genauer müssen Sie in die individuelle Situation des Vertrieblers reinschauen. Sie müssen ein kombiniertes Modell verwenden, das sowohl mathematische Elemente als auch die persönliche Betrachtungsweise des Vertrieblers und Verkäufers enthält. Nur dieses wird Ihnen realistische Prognosen liefern.

Beschränken Sie sich daher nicht auf ein rein mathematisches Verfahren! Denken Sie in Szenarien! Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern über deren Erwartungshaltung zum Auftrag. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt kommt, wird nämlich von Unternehmensseite und dem damit direkt beauftragten Vertriebler und Verkäufer oftmals völlig konträr eingeschätzt. Während die Firma beispielsweise von den vorhin benannten 60 % ausgeht – basierend auf dem festlegten Prozentsätzen in der Verkaufsstufe „Angebot“, ist der Blickwinkel des Vertrieblers deutlich spezifischer. Es kann nämlich auch Deals in der Sales Pipeline geben, die der Angestellte mit mehr als 80 Prozent Wahrscheinlichkeit kommen sieht, obwohl die Opportunity nach dem Vertriebs- und Verkaufsprozess im Unternehmen geringer geforecastet ist. Und auf genau diese Deals sollte ein Vertriebsmitarbeiter sich am Anfang, sagen wir eines Quartals, festlegen oder anders gesagt „committen“. Auf die anderen, die bei einer eigenen Erwartung von unter 50 Prozent liegen, sollte er sich nicht festlegen. Das kann schnell nach hinten losgehen. Das Geheimnis liegt in einer offenen, ehrlichen und transparenten Kommunikation!

Es gibt – nicht nur auf dem Aktienmarkt – nichts Schlimmeres, als feste Zusagen nicht einzuhalten. Es ist viel zielführender, ein fixiertes Commitment zu benennen, das der Vertriebler im Idealfall übertrifft. Sprechen Sie deshalb über die verschiedenen Szenarien. Was kommt im Best Case und im Worst Case zum Abschluss und wo liegen noch mögliche Chancen, die ein realistisches Upside versprechen, also Opportunities, die den Forecast noch zum Ende des betrachteten Zeitraums anheben oder zumindest absichern? Was halten Sie selbst für ein objektives und realistisches Ziel an Auftragseingängen? Nur wenn Sie diese neue Blickrichtung leben und mathematische Modelle mit der individuellen Einschätzung des Vertrieblers kombinieren, werden Sie einen realistischen Forecast im Vertrieb und Verkauf erhalten. Sonst nicht!

Wann haben Sie das letzte Mal jede einzelne Opportunity mit Ihren Mitarbeitern durchgesprochen? Das regelmäßige Durchleuchten der Sales Pipeline hilft ihren Mitarbeitern zu verstehen, wie wichtig ein realistischer Forecast ist sowie die eigenen Chancen richtig einzuschätzen – und Sie erhalten endlich verlässliche Zahlen.

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