Nahezu alle Unternehmer und Vertriebsleiter, die ich in den letzten Jahren gesprochen habe, streben nach ein und derselben Sache: nach Wachstum. Diejenigen im Unternehmen, die für das Wachstum verantwortlich sind, werden aber in der Regel nicht nach einer Wachstumsquote bezahlt, sondern erhalten einen - zumeist nicht ganz unerheblichen - Anteil ihres Zielgehaltes anhand des erzielten Umsatzes oder Rohertrags.
Nur wenige Vertriebsorganisationen nehmen dabei eine Trennung in der Bearbeitung von Neu- und Bestandskunden vor, noch haben sie unterschiedliche Bezahlmodelle. Und aus diesem Grunde stelle ich mir seit geraumer Zeit die Frage, ob es gefährlich oder sogar strafbar ist, mit Bestandskunden Umsatz zu machen?
Jetzt könnte es sein, dass Sie mich belächeln oder sich ernsthaft die Frage stellen, mit wieviel Gewissheit Sie sagen können, dass Ihre Vertriebler jede Verkaufschance bei Bestandskunden beurteilt und genutzt haben. Mein Team und ich durften feststellen, dass in den meisten Vertriebs- und Verkaufsorganisationen, in die wir Einblick bekommen haben, hier eine sehr beeindruckende "Upside-Position" besteht, die bisher nicht gehoben wurde. Woran liegt das?
Warum läuft ein Vertriebler lieber Neukunden hinterher und wartet darauf, bis die Marketingabteilung "frische Leads" präsentiert, wenn doch ein erhebliches Potential bei den Bestandskunden brachliegt? Wir haben festgestellt, dass die Antwort in den meisten Fällen trivial ist: es lag kein Fokus darauf und deshalb war es auch nicht bewusst. Wie heißt es so schön: "die Energie folgt der Aufmerksamkeit" ;-)
Bestandskundenpflege ist Investitionsschutz
Jeder, der eine Zeit im B2B Vertrieb und Verkauf ist, weiß, dass es x-Mal teuer ist einen Neukunden zu gewinnen, als Umsatz mit bestehenden Kunden zu machen. Ein Unternehmen kann nur gesund wachsen, wenn es auch dafür sorgt, dass es eine solide Bestandskundenbasis hat. Solide ist sie erst, wenn ein Vertriebler die Ziele seiner Kunden kennt und diese Information regelmäßig mit den eigenen Leistungen abgleicht.
In den letzten Jahren haben wir einige hundert Vertriebsorganisationen zu diesem Thema befragt. Zwei Schlüsselaspekte kamen dabei in der Regel sehr durchschnittlich bis unterentwickelt weg:
- das Umsatzpotenzial bei bestehenden Kunden wird optimal ausgeschöpft
-
aufgrund von Kundenrückmeldungen sind die Erwartungen an das aktuelle Leistungsportfolio genau bekannt
In Märkten, die geprägt sind durch starken Wettbewerb und Vergleichbarkeit, werden Kunden immer bearbeitet - wenn nicht Ihnen, dann von Ihrer Konkurrenz. Wenn Sie sich jetzt vor dem geistigen Auge vorstellen, wielange es gedauert hat, einen Kunden zu gewinnen und wie viel Zeit (möglicherweise auch unbezahlt) Sie anschließend in die Beziehung investiert haben um ein Projekt gut zu machen bzw. einen guten Service zu erbringen, dann stellt sich sofort die Frage, was Sie aktiv dafür tun, um diese Investition abzusichern. Heute kann ein Unternehmen nicht mehr davon ausgehen, dass sich ein Bestandskunde zu jeder Frage und neuen Anforderung automatisch bei ihm meldet. Das hängt vor allem damit zusammen, dass viele Unternehmen das häufig umfangreiche Leistungsangebot ihres Anbieters nicht im Detail kennen oder eben durch ein gutes Marketing bzw. die aktive Ansprache "verführt" werden.
Was können wir in Bezug auf das Management von Bestandskunden vom Schäfer lernen?
Eines ist ganz sicher: der Schäfer hat seine Herde immer im Griff. Dabei helfen ihm farbige Markierungen. Die Anläße zum Markieren sind auch einfach und schnell benannt. Schafe werden markiert, damit der Schäfer weiß, welches Schaf bereits gedeckt und entwurmt wurde, wo das Schneiden der Klauen ansteht oder die Verabreichung von Arzneimitteln.
Jetzt stellt sich die Frage, welche Anläße gibt es bei Ihren Kunden, die markiert werden sollten? Nach meiner Auffassung sind das folgende:
- ein Kunde kauft heute bereits ein bestimmtes Produkt, eine Lösung oder einen Service (markiert mit einem X)
- der Kunde kauft die Leistung (die ein Unternehmen anbietet) aktuell beim Wettbewerb (rote Markierung)
- der Kunde hat für ein Produkt, eine Lösung oder einen Service einen Bedarf (grüne Markierung)
- der Kunde hat für ein Produkt, eine Lösung oder einen Service keinen Bedarf (graue Markierung)
Wenn Sie diese Einschätzung für jeden Ihrer Kunden vornehmen (sofern Sie das nicht einfach per Knopdruck aus Ihrem CRM-System ziehen können), werden Sie auf Anhieb erkennen, wo Informationen fehlen (Felder ohne eine Markierung - sogenannte "weiße Flecken" ;-), wie stark Ihre Kunden heute von Wettbewerbern besetzt sind und welche Potentiale schlummern, die bisher nicht gehoben worden.
Das diese Informationen über die Bestandskunden bares Geld wert sind, haben uns viele Vertriebsorganisationen, die das Thema konsequent umgesetzt haben, gezeigt. Ein einfache Methode, um den Datenschatz zu heben, ist die Erstellung einer sogenannten Kunden- / Produktmatrix.
Bildquelle: PublicDomainArchiv / pixabay.com
Themen: Vertriebssteuerung Vertriebskompetenz