Kaufentscheidungen verstehen: warum wir kaufen, was wir kaufen

12-Mai-2015
Manfred Jakobi
Manfred Jakobi

B2B Vertrieb und Verkauf - Entscheidungen

In den letzten Jahren hat die Forschung faszinierende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Menschen Entscheidungen treffen.

Zur Einstimmung mal ein Beispiel aus dem B2C-Umfeld: der Cola-Test ist seit langem aus der Werbung bekannt. Blind verkostet entscheiden sich Testpersonen etwa zu gleichen Teilen für Pepsi-Cola und Coca-Cola als Geschmacksfavorit. Ist die Marke bekannt, wird jedoch Coca-Cola deutlich bevorzugt. Dieser Test wurde dann unter Beobachtung mit einem Hirnscanner an Probanden durchgeführt. Wussten die Probanden bereits vorher, dass es sich um Coca-Cola handelt, war das Belohnungszentrum im Gehirn stark aktiviert, bei Pepsi-Cola hingegen nicht.1 Allein die Kenntnis der Marke reicht offensichtlich aus, um das Belohnungszentrum zu aktivieren und das Geschmackserlebnis zu lenken.

Ein weiteres Beispiel ist ein japanischer Baumaschinenhersteller, der einen neuen Hydraulikbagger entwickelt hatte – noch besser zu handhaben und noch leistungsfähiger. In der Vermarktung wurde die technische Überlegenheit des Produkts durch eine dominante Produktdarstellung in den Vordergrund gestellt. Die Verkaufserfolge blieben – entgegen jeglicher Erwartungen – allerdings aus. Auch nach ausführlichen Kundenbefragungen konnte das Problem nicht aufgedeckt werden. Mithilfe neurowissenschaftlicher Untersuchungen fand man heraus, der Schwerpunkt der Vermarktung war zwar die Stärke und technische Finesse, allerdings wurden die entscheidenden Argumente "Geschicklichkeit und Souveränität" des Baggerführers nicht hervorgehoben und dargestellt.

Die Vermarktungsstrategie wurde daraufhin geändert und ein Fokus auf die überlegene Handhabung durch den Baggerführer gesetzt. Mit vollem Verkaufserfolg!

Kaufentscheidende Prozesse und Reaktionen laufen unbewusst ab und werden nicht kognitiv kontrolliert. Sie können von den Betroffenen in Befragungen interessanterweise auch nicht wiedergegeben werden.

Menschen sind soziale Wesen und folgen unbewusst einem Entscheidungsprozess. Nach ihrem Selbstbild versuchen sie, sich ihr Handeln und ihre Wirkung auf andere zu gestalten. Das sollte in kundenorientierten Vertriebs- und Marketingkonzepten beachtet werden. Allerdings ist dies in der Praxis noch allzu oft von der Ratio geprägt.

Im B2B Vertrieb und Verkauf wird viel argumentiert, nur leider auch zu oft am Kunden vorbei. Die Sinne des Menschen messen nicht rational, sondern empfangen permanent Signale, die überwiegend ganz unbewusst gewertet werden.

Das Vermeiden von unangenehmem Empfinden und die Erwartung von Belohnung beeinflussen und steuern so den Kaufentscheidungsprozess und das Handeln der Kunden.

Dabei ist Kunde nicht gleich Kunde. Nach neusten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es drei Grundrichtungen für das Belohnungsstreben. Diese bilden die Grundlage der sogenannten Limbic® Map: Unterschieden werden dabei Dominanz, Stimulanz und Balance.2

Diese Belohnungssysteme ergänzen die psychologische Kundensegmentierung und zeigen neue Wege in der Ansprache der Kunden auf:

  • die erste Kundengruppe (Dominanz) empfindet eine innere Belohnung, wenn sie etwas durchsetzen kann,
  • die zweite Kundengruppe (Stimulanz), wenn sie Neues erfährt,
  • die dritte Kundengruppe (Balance), wenn sie eine gute Beziehung oder Unterstützung erlebt

Da alle Menschen einen Anteil von jedem Belohnungssystem in ihrer Persönlichkeit haben – nur in unterschiedlicher Ausprägung - ergibt sich daraus die Chance oder gar die Notwendigkeit einer individuellen Ansprache. Jeder Kunde reagiert auf sein eigenes Empfinden und weniger auf Fakten. Wer die Entscheidungsmechanismen seiner Kunden auf diese Weise kennt, kann sie wesentlich gezielter ansprechen.

Menschen handeln und entscheiden somit nicht rein rational – auch nicht im B2B, wenn es um komplizierte Anwendungen oder technische Geräte geht. Deshalb ist es wichtig, Botschaften mit sogenannten emotionalen „Ankern“ zu versehen. Wenn Ihnen und Ihren Verkäufern das gelingt, dann können Sie allein dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erzielen.

Kunden kaufen, weil das Gekaufte eine Funktion im eigenen Konzept hat. Und dieser angenommene Nutzen entsteht im Kopf des Kunden – ausgelöst durch seine Empfindung.

Im Dienstleistungsbereich hat die „Verpackung“ beispielsweise eine ganz besondere Bedeutung und muss dabei umfassend verstanden werden. Alle „Emotionalisierungen“ geben nicht sichtbaren oder immateriellen Produkten ihren Wert. Die Wirkung kann dabei noch durch die Nutzung aller fünf Sinne verstärkt werden. Die Aufladung wird mit jedem Sinn, der angesprochen wird, nicht nur additiv, sondern multiplikativ verstärkt.

In der Neukundenakquise und der Entwicklung von Bestandskunden kann dieses neurowissenschaftliches Know-how gezielt eingesetzt werden. In der Umsetzung gewinnt zu Beginn gleich eine alte Verkäuferweisheit:  „Wer fragt, führt!“, denn nur wer die Motive im buying center seines Kunden schnell herausfindet, kann seine Argumentation und später die Lösungs- und Angebotspräsentation perfekt abstimmen.

Die nach ihrem Belohnungsstreben unterschiedlichen Gesprächspartner (Dominanz, Stimulanz, Balance) haben dabei unterschiedliche Ziele. Einen dominanten Typen interessiert beispielsweise wie seine Effizienz gesteigert werden kann, einen Stimulanz-Typen, welche Besonderheiten eine Leistung darstellt und einen Balance-Typen, wie bewährt das Angebot ist, d.h. wie viel Erfahrung ein Anbieter damit hat.

Wie schätzen Sie Ihrer Vertriebsmannschaft ein? Gelingt es in den heutigen Kundensituationen (Opportunities), schnell auf die kaufentscheidenden Motive des buying centers zu kommen?

1 Vgl. McClure, Samuel M., Li, Jian, Tomlin, Damon, Cypert, Kim S., Montague, Latané M., Montague, P. Read, Neural corralates of behavioural preference for culturally familiar drinks. 
2 Vgl. Häusel, H.-G., Limbic: Die Emotions- und Motivwelten im Gehirn des Kunden und Konsumenten kennen und treffen, in: Häusel, Hans-Georg (Hrsg.), neuro marketing.
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